Cover
Titel
Frank Geiser. Architekt. Hauptwerke 1955–2015


Autor(en)
Tobler, Konrad
Erschienen
Zürich 2018: Park Books
Anzahl Seiten
205 S.
von
Dieter Schnell

Das nahezu quadratische Buch handelt nicht nur von überaus präzise gestalteter Architektur, es führt präzise Gestaltung gleich selber vor: Hervorragende Schwarzweissfotos wechseln mit minimalistischen Strichplänen und sorgfältig gesetzten Textseiten ab. Alles fein säuberlich voneinander getrennt, sodass auf einer Seite stets nur entweder eine Fotografie, ein Plan oder ein Text zu finden ist. Eine einzige Seite sticht leuchtend rot heraus: eine vom jungen Frank Geiser 1955 gestaltete Lithografie mit zwei kurzen, schwarzen Balken auf rotem Quadrat. Sie steht sowohl für den Beginn der Architektenlaufbahn, für die frühe Berufung und die spätere Beharrlichkeit, als auch für die Interpretation des gesamten architektonischen Werks als «konkrete Architektur» und damit als eine Parallelerscheinung zur «Konkreten Kunst».

Der Textteil beginnt mit den verschiedenen Einflusssphären, mit denen der 1935 geborene Geiser in seiner Jugend in Kontakt stand. Personen, die ihm viel bedeuteten, Ausbildungsorte und frühe Interessen werden vor­ und dargestellt. Über das von 1956 bis 1960 an der Hochschule für Gestaltung in Ulm absolvierte Studium lesen wir ebenso wie über den zwischenzeitlichen Besuch des Instituts für Städtebau und Landesplanung in Aachen 1958.

Das nächste Kapitel sucht mit sechs Begriffspaaren die Arbeiten von Geiser einzukreisen und zu charakterisieren. «Das Objektive und das Strukturelle» erklärt den strengen, meist auf einem Quadrat aufbauenden Raster, der all seinen Entwürfen als Rückgrat dient. «Das Materielle und Filigrane» beschreibt seine Liebe zu feingliedrigen Metallkonstruktionen. Typisch modernistisch gedacht ist «das Flexible und das Soziale», wo menschliches Zusammenleben als Frage einer anpassungsfähigen Raumorganisation verstanden wird. «Das Transparente und das Reflektierende» ist als Gegenstück zur Metallkonstruktion zu verstehen und handelt von seiner Vorliebe für Glas, für Öffnungen und für weite und transparente Raumgefüge. Auch «die Natur und das Sinnliche» widerspiegelt überaus modernistische Vorstellungen: Die Natur dient zum einen als Folie, auf der die puristische Abstraktion der Architektur erst richtig zu brillieren vermag, zum anderen ist sie das Reservat der Emotionen und Stimmungen, die in der Nüchternheit der mathematisch­geometrischen Welt zu kurz kommen würden. «Die Architektur und die bildende Kunst» schliesst den Bogen ab und bildet die zweite Folie, vor der sich die Architektur zu bewähren hat: diejenige der Gegenwartskunst. Die Architektur selbst wird zwar nicht eigentlich als Kunst verstanden, steht aber in einem ähnlichen Verhältnis zur Gegenwart wie diese, indem sie kompromisslos aus dieser Gegenwart schöpft und in einem äusserst angespannten Verhältnis zur eigenen Herkunft, zu Konventionen und Traditionen steht oder zu stehen vorgibt. Die enge Bindung an die Gegenwartskunst dient als Garant für die Radikalität der architektonischen Arbeit.

Im nächsten Kapitel lernen wir die städtebaulichen Projekte von Geiser kennen. Sie sind allesamt nicht realisierte, überaus zeittypische Vorschläge der Raumorganisation. Die frühen Arbeiten zeigen das modernistische Spiel mit Kuben unterschiedlicher Grösse, Höhe und Funktion, die späteren suchen den Kontrast zwischen dem geschützten Bestand und der zeitgemässen Intervention.

Auf den folgenden Seiten lernen wir, chronologisch geordnet, in Text, Plan und Fotografie wichtige Neubauten von Geiser kennen: das Firmengebäude an der Thunstrasse in Bern (1962/63), das Bürogebäude an der Jungfraustrasse in Bern (1965/66), ein Landhaus in Zuzwil (1967/68), die Verwaltungsgebäude an der Schwarztorstrasse in Bern (1969–1972), das blaue Haus an der Schwarztorstrasse in Bern (1978–1981). Im nächsten Block finden sich Um­ und Erweiterungsbauten: das ehemalige Lehrerseminar in Hofwil (1982–1984), das kantonale Verwaltungsgebäude an der Speichergasse in Bern (1984–1986), der Ersatzneubau der RBS­Station Papiermühle bei Ittigen (1985/86), die Liftanlage am Bernischen Historischen Museum (1989–1991), die Sanierung und Erweiterung eines Weilers in Niederbottigen (1989–1995), der Umbau der Berner Bahnhofshalle (1998/99). Den Abschluss machen Grossbauten und Spätwerke: das Verwaltungszentrum in Langenthal (1990–1992), die Neukonzeption und Erweiterung der Schulanlage Blindenmoos in Schliern (1991–1994), ein Reihenhaus am Dianaweg in Köniz (1997/98), die Gewerblich­Industrielle Berufsschule Bern (1996–1999), ein Wohn­ und Bürohaus an der Bellevuestrasse in Köniz (2004–2007).

Das sehr schön gemachte Buch stellt das Werk eines bedeutenden Berner Architekten in einer guten Auswahl seiner Arbeiten vor. Der Leser und Betrachter erhält einen abgerundeten Überblick über ein bemerkenswertes Lebenswerk. Die Fotografien zeigen die Bauwerke kurz nach ihrer Fertigstellung ohne Menschen und ohne Gebrauchsspuren, sodass sie Le Corbusier wohl als «reine Schöpfungen des Geistes» akzeptiert und gerühmt hätte. Aber auch der Text gibt sich in weiten Teilen panegyrisch und eröffnet damit einen aufschlussreichen Blick in das Selbstverständnis dieser Architektengeneration, die sich als dem Architekturlaien voranschreitende Avantgarde versteht und immer schon verstanden hat.

Zitierweise:
Dieter Schnell: Rezension zu: Tobler, Konrad: Frank Geiser. Architekt. Hauptwerke 1955–2015. Zürich: Park Books AG 2016. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 3, 2018, S. 69-71.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 3, 2018, S. 69-71.

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